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sevdesk: Warum die Software nicht nur ein Qualitätsproblem hat.

In meiner Artikelreihe zu sevdesk geht es um die gleich­na­mi­ge Software, die eigent­lich die Buchhaltung ver­ein­fa­chen soll. Wenn du zum ersten Mal hier bist, lies dir meinen ersten Beitrag dazu durch und erfahre, warum ich anfangs begeis­tert war und welche posi­ti­ven Absichten ich mit der Veröffentlichung meiner Kritik verfolge. 

Warum ich dennoch derzeit nie­man­dem guten Gewissens emp­feh­len kann, dort Kunde zu werden, dazu ver­öf­fent­li­che ich in den kom­men­den Wochen weitere Artikel, die ein Gesamtbild erzeu­gen und jedem über­las­sen, meiner (Nicht-)Empfehlung zu folgen.

Spoiler: Spätestens Seitdem ich selbst Software ent­wick­le habe ich ein tie­fe­res Verständnis davon, was man erwar­ten kann und dass Software wohl in den sel­tens­ten Fällen end­gül­tig und feh­ler­frei ist. Dennoch habe ich Zweifel, dass das Qualitätsmanagement bei sevdesk in der jet­zi­gen Form aus­reicht. Neben den Fehlern selbst ist es der Umgang damit, der wenig Hoffnung für Besserung lässt.

Meine Legitimierung: Was qualifiziert mich eigentlich als selbst ernannten Softwaretester?

Eine Zeit, bei der ich an vieles gerne zurück­den­ke, waren die 2000er. Auf Viva Plus lief meine Lieblings-Musik, ich hatte noch etwas wie Freizeit. Freizeit, die ich auch mit dem Zocken auf Photo Play-Spielterminals ver­bracht habe, die zu der Zeit in Cafés und anderen Lokalitäten ver­bracht habe. Grob gesagt Arcade-Spiele mit Spielprinzipien, die man heute von Candy Crush und Co. kennt – nur ohne die pay2win-Mechanik. 

Durch glück­li­che Zufälle war ich auch bei einem Workshop vor Ort (in Österreich) beim Hersteller „fun­world“, der auch meine spätere Begeisterung für nut­zer­zen­trier­te Gestaltung, Informationsdesign und Benutzeroberflächen geweckt hat. Bei fun­world war man über den damals 14-jäh­ri­gen Knirps Alex über­rascht und eine Mitarbeiterin für die Qualitätssicherung hat etwas bemerkt, das ich nicht bemerkt habe: Meine schnel­le Auffassungsgabe für die Spiele und wie ich sie spiele.

Ich war dar­auf­hin mehrere Jahre als Spieletester ein­ge­la­den und habe den für mich per­fek­ten Ferienjob gefun­den: Ab an den Attersee, 5 Tage Zocken gegen 7 Tage Gratis-Urlaub. Denn ich konnte nicht nur Fehler bewusst bemer­ken, sondern auch den Weg dorthin erin­nern und repro­du­zie­ren. Etwas, das für die Entwicklungs-Abteilung wichtig ist, um zu über­prü­fen, ob ein Patch den Fehler tat­säch­lich behebt.

Das zog sich dann auch durch meine beruf­li­che Laufbahn der letzten 15 Jahre: Fehler erken­nen, repro­du­zie­ren, mit­tei­len. Auch meine eigenen. Für mich bedeu­tet das: Nicht nur meckern, sondern mit anpa­cken. Und damit eine Lösung begünstigen.

Warum ich der Meinung bin, dass sevdesk nicht nur ein Qualitätsproblem hat, sondern auch ein Problem nahe der Qualitätsabteilung.

Was wurde also aus dieser Firma in Österreich? Personal wurde umstruk­tu­riert, die Qualitätsabteilung mut­maß­lich aus Kostengründen redu­ziert. Auch ich war leider nicht mehr willkommen. 

Der Schaden trat kurze Zeit später ein: Turniere wurden mit feh­ler­haf­ten Spielen ausgetragen. 

Als einer der ersten konnte ich durch ein geschick­tes vor­zei­ti­ges Beenden eines Spiels meine Punktzahl ver­dop­pel­ten und mich damit auf Platz 1 der Rangliste kata­pul­tie­ren. Andere Spieler*innen fanden Bugs, mit denen z.B. in einem Kartenspiel ab Level 6 immer mit exakt selben Abfolge des Lösungswegs alle Levels lösen konnten. Spiele sind gecrasht.

Dass ein Reduzieren der Qualitätssicherung die Anzahl der Probleme redu­ziert war in etwa so ver­hei­ßungs­voll wie zu erwar­ten, dass es weniger Feuerwehreinsätze gibt, wenn die Anzahl der Einsatzfahrzeuge hal­biert wird. 

Was kann man daraus lernen? Menschen machen Fehler. Menschen machen Software. Also ist Software nicht frei von Fehlern. Was das alles mit sevdesk zu tun hat? Das waren doch Videospiele! 

Nur: Solche Fehler will man nicht in einer Buchhaltungssoftware. Die Analogie von fal­scher Punktzahlberechnung ist nahe­lie­gend: Falsche Beträge, falsche Auswertungen, falsche Rechnungsbeträge, falsche Umsatzsteuer-Meldungen ans Finanzamt. Als Aktion wird Reaktion. 

Beispiel 1: Falsche Berechnung von absoluten Beträgen in sevdesk

Ich habe einen Auftrag erhal­ten und eine Teilrechnung über 33% Leistung erzeugt, was unter „bereits geleis­te­te Anzahlung“ auch bezahlt und ver­bucht wurde.

Nachfolgend dazu ein Screenshot aus dem Dialog, wenn ich die nächs­ten 33% in Rechnung stellen möchte. 

Nanu? Teilrechnung 1 wurde mit 33% berech­net: 2230,54 EUR. Teilrechnung 2, die ich gerade stellen möchte, soll mit 33% berech­net werden: 2277,66 EUR.

Natürlich kann und möchte ich nicht die pas­sen­den Rechnungsdokumente unge­schwärzt online stellen. Inzwischen kann ich die Ursache dafür auch ein­gren­zen: Falsch habe ich nichts gemacht. 

Beispiel 2: Tooltip “Anzahlung” in sevdesk zum falschen Zeitpunkt

Die Oberfläche von sevdesk klärt mich schein­bar will­kür­lich darüber auf, dass bei einer Anzahlung das Rechnungsdatum vor dem Lieferdatum liegen muss, oder am glei­chen Tag selben Datum.

Und jetzt schauen wir nochmal ganz genau hin, welches Datum das Rechnungsdatum und das Lieferdatum haben.

Das ist exem­pla­risch für Phänomene in sevdesk, die rich­ti­ge Information zum fal­schen Zeitpunkt dar­zu­stel­len oder Schwierigkeiten zu haben, mit Datumsangaben umzugehen. 

Beispiel 3: Inkonsistente Nutzerführung in sevdesk – „Eben hatte ich doch noch… !“

  • Eben hatte ich doch noch einen anderen Zeitraum ausgewählt.
  • Eben hatte ich doch noch eine andere Reihenfolge.
  • Eben hatte ich doch noch ein anderes Konto ausgewählt.
  • Eben hatte ich doch noch bestimm­te Optionen ausgewählt.

Man könnte es pedan­tisch nennen – aber nur, solange man nicht selbst täglich mehr­fach davon betrof­fen ist. Egal, in welchem Bereich von sevdesk man ist – wie­der­keh­ren­de Rechnungen, Zahlungen, Zuordnung von Zahlungen, Filterung von Ausgabe-Belegen, … Eben hatte man noch das aktu­el­le Quartal aus­ge­wählt und schein­bar will­kür­lich bleibt die Auswahl erhal­ten, manch­mal springt sie aber auch zurück auf den ver­gan­ge­nen Monat, so wie in dieser Oberfläche am 3. Dezember 2024:

An diesem Tag habe ich bestimmt 7 oder 8 Mal kurz hin­ter­ein­an­der zwi­schen dieser und einer anderen Oberfläche wech­seln müssen, da sevdesk das Öffnen in einem neuen Tab an vielen Stellen seit einiger Zeit unter­bin­det. Jedes Mal setzt sich der Filter auf den ver­gan­ge­nen Monat zurück, was hier keinen Sinn ergibt, wenn man aktu­el­le Zahlungen ver­bu­chen möchte.

Im Fachjargon spricht man von einer schlech­ten User Experience. Nervig trifft es auch. Und auch aus Software-Entwickler-Perspektive fehlt mir dafür Verständnis: Wie schafft man es, so eine simple Oberfläche kaputt zu entwickeln?

Beispiel 4: Maximal umständlicher Workflow bei Rechnungen in Fremdwährung in sevdesk

Nicht unüb­lich ist das Verbuchen von Rechnungen in Fremdwährungen. Dass sevdesk keine Konten in Fremdwährung anbin­den kann, ist ein Problem – jedoch nicht für mich, denn Rechnungen in Fremdwährungen gehen in EUR von meinem Konto zum tages­gül­ti­gen Wechselkurs ab. D.h. für mich exis­tie­ren die Beträge nur auf dem Papier PDF. 

Ich ver­ge­gen­wär­ti­ge: Wechselkurse sind nicht sta­tisch, sondern ändern sich rund um die Uhr. Diese Selbstverständlichkeit fällt einem in sevdesk gleich auf die Füße.

Beispiel der Wechselkurs-Schwankungen – Screenshot von Google Finanzen: https://www.google.com/finance/quote/EUR-USD

Doch zunächst ein Lob: sevDesk hat ver­sucht, mit­zu­den­ken! Es gibt an Eingangsrechnungen nicht nur die Möglichkeit, Währungen fest­zu­le­gen. Sondern zusätz­lich die Möglichkeit, einen Wechselkurs fest­zu­le­gen und kann den Wechselkurs auto­ma­tisch anhand des Zahlungsdatums via API abrufen.

Das Problem: Der via API abge­ru­fe­ne Wechselkurs ist EIN Wechselkurs des Tages, der selten mit dem tat­säch­li­chen Zahlungsbetrag deckungs­gleich ist.

Und eigent­lich braucht es den gar nicht über eine API ermit­telt, denn wir haben alle Informationen, die wir benö­ti­gen, um die Zahlung zu verbuchen:

  1. Den Rechnungsbetrag x, bspw. in USD.
  2. Die Zahlung / Abbuchung y, in EUR.
  3. Teile ich x durch y bzw. y durch x, ergibt das den Wechselkurs.

Das Vorgehen nennt sich „Division“ und wird bei uns in Baden-Württemberg in Klasse 3 und 4 der Grundschule unterrichtet. 

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler wen­den die vier Grund­re­chen­ar­ten im Zah­len­raum bis 1.000.000 si­cher an und nut­zen vor­teil­haf­te Stra­te­gi­en. Sie ver­ste­hen Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen ein­zel­nen Ope­ra­tio­nen. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler be­herr­schen die schrift­li­chen Re­chen­ver­fah­ren. Sie ken­nen arith­me­ti­sche Mus­ter und ge­hen si­che­rer mit ih­nen um.

https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW_ALLG_GS_M_IK_3-4_01_02 – Bildungsplan der Grundschule des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg.

Zahlenraum bis 1.000.000? Ich wünsch­te, ich könnte jetzt für sevdesk in die Presche sprin­gen, aber leider habe ich nicht mit Umsätzen dieser Größenordnung zu tun. Was macht sevdesk also schlech­ter, als ein Grundschüler mit posi­ti­ver Grundschulempfehlung?

Nichts. Es liegt am pra­xis­fer­nen Workflow von sevdesk. Dadurch ergibt sich ein Ablauf wie dieser:

  1. Ich erfasse die Eingangsrechnung in USD. sevdesk ruft den mut­maß­li­chen Wechselkurs ab. 
  2. Ich beende die Erfassung, mar­kie­re den Ausgabebeleg als offen.
  3. Ich ver­su­che eine Zahlung zuzu­ord­nen und erfahre dabei, dass dieser nicht deckungs­gleich ist mit dem anhand des Tages-Wechselkurses berech­ne­ten Betrags.
  4. Ich erin­ne­re mich daran, dass sevdesk zu Beginn noch eine Option unter „Gründe für die Differenz“ hatte und diese nun ersatz­los gestri­chen wurde. Meine Reise war hier schon Mal zu Ende sein.
  5. Ich notiere mir den tat­säch­lich abge­buch­ten Betrag.
  6. Ich ver­las­se den Dialog zur Zuordnung und gehe wieder in Richtung des erfass­ten Beleg und öffne ihn.
  7. Ich klicke auf „öffnen“.
  8. Ich bestä­ti­ge dies.
  9. Ich scrolle zum Wechselkurs und je nach Lust und Laune rate ich ein biss­chen rum, bis ich auf die rich­ti­ge Wechselkurs-Kommastellen komme oder nehme den Taschenrechner.
  10. Ich beende die Erfassung erneut, mar­kie­re den Ausgabenbeleg als offen.
  11. Wenn ich alles richtig gemacht habe, kann ich jetzt die Zahlung zuord­nen. Falls ich einen Leichtsinnsfehler gemacht habe, starte ich jedoch wieder bei 3.

11 Schritte, um einen Ausgabebeleg bzw. eine Eingangsrechnung, der keinen EUR-Betrag aus­weist, zu ver­bu­chen. Dabei wäre der Ablauf denkbar einfach:

  1. Ich erfasse die Eingangsrechnung in USD.
  2. Ich beende die Erfassung, mar­kie­re den Ausgabebeleg als offen.
  3. Beim Zuordnen der Zahlung erfahre ich den errech­ne­ten Wechselkurs. 
  4. Ich bestä­ti­ge und bin fertig.

Wenn sevdesk mich unter­stüt­zen möchte, weist er die Differenz zwi­schen den Wechselkurs-Werten aus (nicht nur den Cent-Beträgen). Ein Toleranzbereich, z.B. Abweichungen nach der 3. Nachkommastelle, könnten direkt akzep­tiert werden. 

So ist auch sicher­ge­stellt, dass nicht ver­se­hent­lich Sammelbuchungen in Fremdwährungen einem ein­zel­nen Beleg zuge­ord­net werden. Denn für Sammelbuchungen muss wahr­schein­lich der Workflow oben leicht modi­fi­ziert werden. Auch das ist logisch: Erst mit der letzten Buchung ist der Gesamtbetrag der Fremdwährungs-Rechnungen und damit auch der Wechselkurs bekannt. 

Nichts, was man nicht lösen könnte. 

    Fazit: You had one job, sevdesk!

    Vier Beispiele hin­ter­las­sen vier Fragezeichen: Warum schafft es sevdesk nicht, lange bekann­te, auch im Support-Forum mehr­fach bemän­gel­te, repro­du­zier­ba­re Fehler nicht in ange­mes­se­ner Zeit zu lösen? 

    Wie kann es sein, dass der eigene Anspruch inner­halb des Unternehmens niedrig genug ist, dass Berechnungsfehler, irre Workflows und Fehlfunktionen nicht nur aus­ge­ses­sen werden? Sondern sogar Funktionen de-imple­men­tiert werden, neue Probleme in bestehen­de Funktionen ein­ge­führt werden und kei­ner­lei Kommunikation darüber erfolgt?

    Mit meinen Erfahrungen aus der Software-Entwicklung ist nahe­lie­gend, dass es hier ein Problem mit der Qualitätsabteilung gibt. Die kann im wohl­wol­lens­ten Fall und wie der Kundensupport, nur Entscheidungen der Geschäftsführung aus­ba­den. Im schlimms­ten Fall sind sie selbst dafür ver­ant­wort­lich und schaf­fen es nicht, aus Fehlern zu lernen und interne Prozesse zu verbessern.

    Beides spräche nicht für einen Wechselkurs Kurswechsel. Die Entscheidung, die eigene Buchhaltung in die Hand von sevdesk zu legen, möchte ich zeitnah kor­ri­gie­ren. Die feh­len­de Lernbereitschaft des Unternehmens hinter sevdesk sind für mich genug Gründe, nach Alternativen zu suchen.

    Und genug Gründe, vom Einsatz von sevdesk für die eigene Buchhaltung abzu­ra­ten, wenn man auf sevdesk-typi­sche Überraschungen in der Qualität der Software ver­zich­ten möchte.

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